Hier kommt sie, die neue Ausgabe unserer Interview-Rubrik „Promi-Talk“. Heute im Ring: André „Dré“ Voigt, Gründer und Chefredakteur der FIVE, freier Journalist (u.a. bei NBA.de und Spiegel Online), Autor („Planet Basketball“), Podcast-Macher („Got Nexxt“) und nach eigener Aussage YouTube-süchtig.
BBALLAID: Hallo Dré, man munkelt, Du hast gelegentlich mit Basketball zu tun. Wie genau bist Du aber zu BASKETBALL AID gestoßen?
Dré: Ihr habt ja schon vor einiger Zeit Kontakt mit der FIVE aufgenommen und wir haben über eure Aktionen berichtet. Als Knochenmarkspender war es dann ein kurzer Weg zur Mitgliedschaft bei euch.
Und warum engagierst Du Dich?
Ich glaube, die Frage muss eher lauten: Warum engagieren sich so viele nicht? Damit meine ich noch nicht mal den Jahresbeitrag bei BASKETBALL AID, sondern die Tatsache, dass nur ein Bruchteil der Menschen in Deutschland sich als Knochenmarkspender registrieren lässt. Vielleicht kann in der heutigen Zeit wirklich nicht jeder bei euch Mitglied werden, weil das Geld zusammengehalten werden muss. Aber in einer Spenderdatei erfasst werden? Einmal einen Wattebausch im Mund haben und dann – im Falle eines Falles – circa vier Stunden investieren, um Stammzellen zu spenden? Diese Zeit sollte jeder haben und zwar nicht erst, wenn diese heimtückische Krankheit einen Freund oder ein Familienmitglied leiden lässt.
Wie lange bist Du schon Mitglied im Verein – und wie ist das zustande gekommen?
Ich glaube, ich gehe jetzt in das zweite Jahr. Das Zustandekommen war ganz einfach. Wir haben über euch berichtet, ich konnte mich mit euren Zielen identifizieren, also war ich dabei.
Jetzt mal konkret: Wie waren Deine ersten Berührungen mit dem orangefarbenen Leder?
Wow, das erste Mal … Das war in der Schule, vierte Klasse, damals noch mit einem dieser braunen Gymnastikgummibälle mit dem dicken Ventil. Ich weiß noch, wie ich dachte: „Hm, das kann ich ja auch ganz gut.“ Kunststück, ich war ja auch einen Kopf größer als alle anderen. Am Ende dauerte es dann noch bis ich 15 Jahre alt war. Da hatten sich meine Hoffnungen auf eine Teilnahme bei der Fußballweltmeisterschaft arg getrübt und ich fand über eine Schul-AG zurück zum Basketball.
Wie schaut’s heute aus: Bist Du selbst noch aktiv?
Als Trainer, ja. All die Jahre in der zweiten Bundes- und Regionalliga haben dann doch ihre Spuren im Knie hinterlassen. Ich habe zwar keine akuten Beschwerden, aber irgendwann hab ich mir überlegt, dass ich lieber etwas zurückgebe, als Ü35 zu spielen und mich darüber zu ärgern, dass ich nicht mehr die Sachen auf dem Feld machen kann wie früher.
Kannst Du Dich noch an das erste Basketballspiel erinnern, das Du jemals gesehen hast?
Ja, das war Ende der 80er-Jahre auf dem längst vergessenen TV-Kanal „Super Channel“. Die Lakers spielten gegen die Mavericks, wo ein Typ mit diesem merkwürdigen Namen herum lief: Schrempf. Irgendwer meinte, das sei ein Deutscher.
Hast Du einen Lieblingsbasketballspieler?
Oh ja. Chris Mullin. Viele werden den alten Scharfschützen der Golden State Warriors wahrscheinlich nicht mehr kennen. Linkshänder, ein göttlicher Wurf, die Gabe auf dem Spielfeld immer ein, zwei Aktionen in die Zukunft blicken zu können und nur das Mindestmaß an Athletik. Bis heute habe ich mir in all den Jahren nur ein Autogramm eines Basketballers geholt, das von Mullin, und ein lebensgroßes Wandtattoo von ihm ist gerade auf dem Weg aus den USA zu mir an die Wand meines Büros.
Was waren Deine bisherigen Highlights im Basketball – aktiv oder passiv?
Aktiv: Meine drei Jahre in der zweiten Bundesliga waren leider geprägt von Abstiegen, wildem Management und Misserfolgen. Dennoch war es immer mein Traum – trotz meines späten Einstiegs – irgendwann auf „professionellem“ Level Basketball zu spielen. Das hab ich geschafft und weil wir in der zweiten Liga Nord antraten, hatte ich das Glück gegen viele spätere Nationalspieler antreten zu können. Marko Pesic, Jörg Lütcke, Drazan Tomic spielten damals beim TuS Lichterfelde. Gegen Kai Nürnberger und mein Bundesliga-Vorbild Mike Jackel ging es in der Vorbereitung meiner zweiten Saison in Wolfenbüttel. Das sind Erinnerungen, die ich nicht missen möchte.
Passiv: Bis Juni waren das die Olympischen Spiele 2008, doch jetzt gibt es da natürlich nur noch eine Antwort: die Meisterschaft der Dallas Mavericks 2011. Zehn Jahre arbeite ich mittlerweile als Basketballjournalist, mein erstes Interview in den USA habe ich als 27-Jähriger mit Dirk Nowitzki geführt. Jetzt nach all der Zeit über zwei Wochen in den Staaten zu sehen, wie er seinen zweiten großen, den größten Traum erfüllt … das war etwas ganz Besonderes.
Was sagst Du zur direkten Zukunft der NBA: Wird es einen Lockout geben?
Dass die Saison 2011/12 regulär beginnt, denke ich nicht. Dieser Lockout wird mit Sicherheit ins kommende Jahr reichen. Die beiden Parteien sind in ihren Forderungen meilenweit auseinander. Dass die gesamte Saison ausfällt, glaube ich allerdings nicht. Das wäre ein Super GAU, die NBA, der Basketball würde extrem leiden. Spieler wie Teambesitzer wissen dies und werden nicht das Risiko eingehen, dass die Fans – vor allem in den USA – in Scharen davon laufen.
Und mit Blick auf das DBB Team, welche Chancen gibst Du unseren Jungs bei der EM in Litauen, wenn der Dirkster und auch Mr. Kaman mit an Bord sind?
Natürlich sind die Chancen mit Nowitzki und Kaman besser als ohne sie. Allerdings ist das Halbfinale keine abgemachte Sache. Die Eurobasket ist das schwerste FIBA-Turnier der Welt – vor allem wenn sie als Quali für Olympia dient. Die vielen jungen Spieler müssen nach zwei Jahren ohne Dirk erst lernen, mit ihm zusammen auf dem Feld zu stehen. Werden sie weiterhin ihre freien Würfe nehmen oder schauen sie plötzlich nur den NBA-Stars zu? Außerdem muss jemand wie Jan-Hendrik Jagla Abstriche machen, was die gefundene Hierarchie durcheinander wirbelt. Wenn ich es in einer Prozentzahl ausdrücken sollte: Unsere Chancen auf das Erreichen des Olympiaqualifikationsturniers liegen bei 25 Prozent.
Was hat es eigentlich mit Deinem Projekt „Planet Basketball“ auf sich?
„Planet Basketball“ ist der Name des Buches, das ich mit Jan Hieronimi geschrieben habe. Jan und ich haben zusammen mit Sven Simon vor acht Jahren die FIVE gegründet. Vergangenes Jahr verwirklichten wir nach Monaten der Organisation und des Zauderns „Planet Basketball“. Alles, was in dem Buch steckt, kann ich hier nicht zusammenfasssen – das würde den Rahmen sprengen, immerhin hat „Planet Basketball“ 512 Seiten. Vielleicht nur so viel: Wir wollten die vergangenen 30 Jahre im NBA-Basketball zusammenfassen, die Stars vorstellen, die den Sport zu dem gemacht haben, was er heute ist. Gleichzeitig wollten wir die Entwicklung der Spieler zeigen, die in der Gegenwart den Basketball bestimmen. Dirk Nowitzki, Kobe Bryant, LeBron James … Aus all den Geschichten, die wir über die Jahre in der FIVE über diese Superstars geschrieben haben, machten wir Buchkapitel mit stellenweise sehr persönlichen Einschüben und Erfahrungen. Außerdem zeigen wir, wie in Deutschland seit 1970 Menschen zu Basketball-, zu NBA-Fans wurden. Dafür haben wir ein Einstiegskapitel geschrieben, in dem unter anderem Stephan Baeck, Lou Richter, Marvin Willoughby oder auch Fußball-Nationalspieler Marcel Schäfer erklären, wie sie die vergangenen Jahrzehnte der NBA erlebt haben. Wie wurden sie zum Fan? Was fasziniert sie so? Unsere Interviewpartner beantworten diese und viele andere Fragen in ihren eigenen Worten. Was uns im Übrigen besonders ehrt, ist die Tatsache, dass uns selbst Dirk Nowitzki per Videobotschaft zu „Planet Basketball“ gratuliert hat (http://youtu.be/1Hd-ic_IRk4) – als ich das Video zum ersten Mal sah, bin ich fast hinten über gekippt.
Kann man das irgendwie mit BASKETBALL AID verknüpfen?
Haben wir ja schon! Für jedes verkaufte Buch geht ein Euro an BASKETBALL AID! Zu bestellen gibt es Planet Basketball unter: www.planetbasketball.de.
Jetzt mal vor der Haustür: Du lebst und arbeitest in Köln, einer Stadt mit großer Basketball-Tradition. Was könnten wir hier gemeinsam an Aktionen auf die Beine stellen?
Ich denke, da gibt es viele Ansätze. Stephan Baeck betreibt ja hier den „Ballpark“, die perfekte Location für jedes Basketballevent. Lasst uns dort zusammen mit einer Knochenmarkspenderdatei ein Event veranstalten, wo sich Menschen typisieren lassen können, wo wir zusammen Basketball spielen und die Fans vielleicht mit ein paar Nationalspielern plaudern können. Ich bin sofort dabei!
Was glaubst Du als gebürtiger Wolfsburger: Wird es irgendwann erstklassigen BBL-Sport in der VW-Stadt geben?
Nein. BBL-Basketball ist in Deutschland – darüber kann auch die Präsenz der Bayern nicht hinweg täuschen – ein lokales Phänomen, welches zwar auch Kleinstädte in seinen Bann ziehen kann, in Wolfsburg gibt es allerdings eben genau keine Tradition. Nicht, dass ich nicht zu würdigen weiß, was Leute wie Cornelius Pawlak, Bernd Uellendahl oder Klaus Hantelmann in der Vergangenheit in meiner Heimat geleistet haben, aber um wirklich eine Region hinter sich zu bringen, müssen Erfolge her. So war es in Bamberg, Quakenbrück oder auch Hagen. Aus der Retorte kann Basketballbegeisterung nicht nachhaltig entstehen … Köln ist da ja das beste Beispiel.
Und wie siehst Du die basketballerische Zukunft im Süden: Wie wird sich der FCB nächste Saison schlagen?
Wenn die Bayern nicht direkt um die Meisterschaft mitspielen, muss schon einiges schief laufen. Der Kader ist bärenstark, Manager Marko Pesic und Coach Dirk Bauermann wissen, was sie tun. Ob es zum Titel reicht? Da werden die Bamberger und Berliner sicher etwas dagegen haben. Dass es aber auch sehr schnell gehen kann mit der ersten Finalteilnahme und dem ersten Titel, das hat damals allerdings auch Köln gezeigt.
Achtung, eine private Frage: Was machst Du, wenn Du nicht für die FIVE und andere Medien schreibst oder selbst den Ball durch den Ring wirfst – gibt es für Dich ein Leben ohne Basketball?
Ja, natürlich! Aber zugegeben, das war früher nicht so. Bis vor ein paar Jahren – vor allem, als ich noch selber aktiv war – gab es nur Basketball. Zu jeder Tages- und Nachtzeit. Da gab es selbst vor der Disco kein Gespräch ohne „Rebound“, „Backdoor-Block“ oder „Flex-Offense“. Heute versuche ich schon ganz gezielt abzuschalten, andere Dinge wahrzunehmen. Gerade wenn man zehn Jahre über ein Thema schreibt, braucht es andere Eindrücke, sonst wiederholt man sich und das Schreiben wird zur Routine – und das ist mir echt zuwider. Ich freue mich deshalb auch schon auf meinen Urlaub Mitte August. Da geht es mit meiner Freundin in ein Hotel, wo ich vor fünf Jahren schon mal war. Damals war es wichtig, dass da ein Freiplatz auf der Anlage war. Den gibt es immer noch, aber dieses Mal nehme ich meinen Spalding nicht mit, sondern die Autobiographie von Bud Spencer und ein paar andere Bücher.
Dré, danke für das Interview!
Und so schaut er aus, der Dré: